Bewertung und Planung beim Praxiskauf

Der Schritt in die ärztliche Selbständigkeit soll zu mehr beruflicher Freiheit und mehr Einkommen führen. Damit dieses Ziel bei einem Praxiskauf erreicht wird, ist es unerlässlich, den Weg dahin zu planen. Dabei ist neben der medizinischen Qualität auch die unternehmerische Seite des Praxisbetriebes zu berücksichtigen, also auf der Einnahmenseite patientenbindende und -gewinnende Maßnahmen und auf der Kostenseite eine klare Aufwands- und Investitionsplanung.

Ausgangspunkt der Planung ist bei Übernahme einer Bestandspraxis oder Einstieg in eine Berufsausübungsgemeinschaft der aufgerufene Kaufpreis – denn dieser beruht auf einer Bewertung, die regelmäßig aus zwei Komponenten besteht. Die materielle Komponente deckt die vorhandenen Sachwerte ab (Praxiseinrichtung, Geräte). Die immaterielle Komponente, der sogenannte Praxiswert, bildet hingegen ab, was ein reiner Geldinvestor für die „Kapitalanlage Praxis“ bezahlen würde.

Es ist sinnvoll, die vom „Verhandlungsgegner“ stammende Bewertung gezielt zu hinterfragen und dabei weitergehend auch ein eigenes Konzept für den künftigen Praxiserfolg zu entwickeln, das am Ende nicht nur die anvisierten Umsatz- und Kostenziele enthält, sondern vor allem auch die konkreten Maßnahmen, die dafür ergriffen werden sollen. Wer hier gründlich arbeitet, hat später deutlich mehr Ruhe und Erfolg: bei der Kaufpreisverhandlung, bei Bankgesprächen und vor allem im eigenen Praxisbetrieb.

Neben dem Bewertungsgutachten sollte dabei zumindest die Betriebswirtschaftliche Auswertung der letzten drei Jahre, die jeweils dazugehörige „Summen- und Saldenliste“ und ein detaillierter (Sach-)Anlagenspiegel vorliegen. Wünschenswert wäre darüber hinaus auch eine detaillierte Auswertung der Umsatzerlöse aus der in der Praxis verwendeten Patientenverwaltungs- und Abrechnungssoftware.

ANALYSE: MATERIELLER WERT & INVESTITION

Im materiellen Teil ist zunächst zu fragen

  • Welche Gegenstände im Einzelnen werden verkauft?
  • Werden die verkauften Gegenstände (überhaupt) benötigt?
  • Sind die verkauften Gegenstände das Geld wert?
  • In welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt sind voraussichtlich weitere Investitionen notwendig (konkrete Angebote?)

ANALYSE: IMMATERIELLER TEIL (PRAXISWERT)

Der Praxiswert basiert auf dem übertragbaren Reingewinn nach Abzug eines angemessenen Unternehmerlohns/Arztgehaltes. „Gekauft“ wird also ausdrücklich nicht die künftige Tätigkeitsvergütung, sondern der Mehrerlös, der darüber hinaus erwirtschaftet wird. Hier ist bei Ärzten und Zahnärzten ein langfristiger Abwärtstrend zu berücksichtigen.

Beim Praxiswert liegt der Schwerpunkt der Analyse und Zukunftsplanung mit einigen Kernfragen:

Struktur und Umfeld der Praxis

  • Wieviele Patienten hat die Praxis und wie sind diese versichert?
  • Wie haben sich die Patientenzahlen entwickelt?
  • Welche Wettbewerbspraxen befinden im Einzugsgebiet nebst Stärken-/Schwächenanalyse (Spezialisierung, Anfahrt/Parken, optische Anmutung, Ruf, …)

Umsatz

  • Zusammensetzung der Umsatzerlöse und Entwicklung in den letzten drei Jahren, idealerweise im Detail (bei Zahnärzten: Zahnfüllungen, Zahnersatz, Prophylaxe, Labor, …) und getrennt nach Privatpatienten und gesetzlich Versicherten.
  • Welche Umsatzsteigerungen sind möglich mithilfe welcher Maßnahmen in welchem Zeitraum?

Aufwand

  • Welches Praxispersonal wird ggf. übernommen (Personalakte einsehen, möglichst Gespräch führen): Einsatzbereiche, Berufserfahrung, Fortbildungsstand, Krankheitsstand, Vergütungsstrukturen, Überstunden- und Resturlaubsansprüche, Kosten der Personalentwicklung.
  • Laufzeit und Konditionen des Mietvertrages?
  • Bestehende dauerhafte Lieferantenbeziehungen und Konditionen (u.a. Praxis- und Laborbedarf)?

Anlaufverluste

  • Muss die Praxis wegen Umbaus bei fortlaufenden Kosten vorübergehend geschlossen werden?
  • Sind Vorlaufzeiten bis zum Eingang der ersten Patienten-/Versicherungszahlungen zu überbrücken?

Liquidität & Finanzierung

  • In welchem Umfang sollten Kauf, Umbau/Investition und Anlaufverluste finanziert werden, damit stets ein angemessener Liquiditätspuffer verbleibt?
  • Welche Zinslasten sind zu erwarten?
  • Welche Tilgungsleistung ist unter Berücksichtigung von Abschreibungen „aus dem Bruttoeinkommen“ möglich? Muss/soll auch aus dem Nettoeinkommen nach privater Einkommensteuerlast getilgt werden?

Private Planung

Schließlich sollte auch die private Lebenssituation analysiert werden, um unliebsame Überaschungen zu vermeiden, Puffer für persönliche Änderungen einzuplanen und Sicherheit zu gewinnen

  • Wie hoch sind ist der private Lebenshaltungsbedarf für Grundbedürfnisse (Wohnung, Lebensmittel, Bekleidung, Freizeit, Erholungsurlaub)?
  • Wie hoch ist der Aufwand für die persönliche Absicherung (Berufsunfähigkeit, Krankheit, Unfall, Leben)?
  • Welches (Alters-)Versorgungsziel wird angestrebt und wie kann dies mit der künftigen selbständigen Tätigkeit erreicht werden.
  • In welcher Höhe und zu welchen Zeitpunkten ist mit Steuerlasten zu rechnen?
  • Welcher Liquiditätspuffer soll für unerwartete private Entwicklungen verbleiben?

FAZIT

Es empfiehlt sich, die oben genannten Fragen selbst (!) zu durchdenken und dann für eine belastbare Planung auf professionellen Rat durch spezialisierte Berater zurückzugreifen, die die Praxis langfristig begleiten. Durch eine solides Praxiskonzept und die permanente Weiterentwicklung wird dann sicher auch das Ziel erreicht: mehr berufliche Freiheit bei höherem Einkommen.