(Erst-)Ausbildungkosten nun doch steuerlich voll abzugsfähig?

Ausschluss des Abzugs für Ausbildungskosten verfassungswidrig (BFH)?

Nach Pressemitteilung des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 05.11.2014 hat der VI. Senat des BFH dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage vorgelegt, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dass Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, keine Werbungskosten sind, wenn diese Berufsausbildung oder dieses Erststudium nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet  (BFH, Beschlüsse v. 17.7.2014 – VI R2/12, VI R 8/12 u.a. – insgesamt sechs Urteilsfälle, veröffentlicht am 5.11.2014).
Gestaltungstipp „Zweitausbildung“

Unabhängig von der streitigen Frage ist allerdings zunächst zu klären, ob überhaupt „Erstausbildungskosten“ vorliegen. Wer z.B. eine Ausbildung zum Rettungsassistenten genossen hat, kann die Kosten eines späteren Studiums voll absetzen, weil es sich dabei schon um die zweite Ausbildung handelt. Auch deshalb ist es überlegenswert, vor Beginn einer besonders kostspieligen Ausbildung einen Erstberuf zu erlernen.

Gesetzlicher Hintergrund
Nach § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG sind Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, keine Werbungskosten, wenn diese Berufsausbildung oder dieses Erststudium nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet.

§ 4 Abs. 9 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG bestimmt Entsprechendes für die Zwecke der Gewinnermittlung; danach sind Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, keine Betriebsausgaben.

Die Regelungen in § 9 Abs. 6 und § 4 Abs. 9 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG sind nach § 52 Abs. 23d Satz 5 und § 52 Abs. 12 Satz 11 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG rückwirkend ab dem VZ 2004 anwendbar.

Infolge dieser Rechtsprechung können – vereinfacht – Erstausbildungskosten nur eingeschränkt steuerlich geltend gemacht werden; stehen Kostenjahr keine wesentlichen Einnahmen entgegen, verfällt der Kostenansatz. Gäbe es die gesetzliche Einschränkung NICHT, könnten Ausbildungskosten zu vortragsfähigen negativen Einkünften führen, die dann in späteren Jahren / bei Berufsbeginn mit dem Normaleinkommen verrechnet werden.

Sachverhalt der Urteile
In den streitigen Fällen hatten die Steuerpflichtigen…
  • …Ausbildungen zum Flugzeugführer auf eigene Kosten (rd. 70.000 €) absolviert und waren danach als angestellte Berufspiloten für Fluggesellschaften tätig bzw.
  • …studiert und waren danach auf dieser Grundlage beruflich tätig.

Alle Kläger hatten ihre Aufwendungen für die Berufsausbildung jeweils als vorweggenommene Werbungskosten geltend gemacht und die Feststellung vortragsfähiger Verluste begehrt, um diese dann in den folgenden Jahren mit ihren aus der Berufstätigkeit erzielten Einkünften verrechnen zu können. Dem stand in allen Streitfällen § 9 Abs. 6 EStG entgegen, demnach Aufwendungen für die erste Berufsausbildung vom Werbungskostenabzug ausgeschlossen sind.

Begründung für die Vorlage zum Bundesverfassungsgericht

Hinsichtlich der Abzugsbeschränkung führten die Richter des BFH aus:

  • Aufwendungen für die Ausbildung zu einem Beruf sind als notwendige Voraussetzung für eine nachfolgende Berufstätigkeit beruflich veranlasst und demgemäß auch als Werbungskosten einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigen. Sie dienen der Erzielung einkommensteuerpflichtiger Einkünfte.
  • Ein Ausschluss des Werbungskostenabzugs verstößt gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete verfassungsrechtliche Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und ist auch nicht mit Vereinfachung und Typisierung zu rechtfertigen.
  • Berufsausbildungskosten stellen auch keine beliebige Einkommensverwendung dar, sondern gehören zum zwangsläufigen und pflichtbestimmten Aufwand, der nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG nicht zur beliebigen Disposition des Gesetzgebers steht. Diese Aufwendungen sind deshalb, zumindest unter dem Aspekt der Existenzsicherung, einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigen.
  • Dem wird nicht entsprochen, wenn für solche Aufwendungen lediglich ein Sonderausgabenabzug in Betracht kommt. Denn der Sonderausgabenabzug bleibt bei Auszubildenden und Studenten nach seiner Grundkonzeption wirkungslos, weil gerade sie typischerweise in den Zeiträumen, in denen ihnen Berufsausbildungskosten entstehen, noch keine eigenen Einkünfte erzielen.
  • DerSonderausgabenabzug geht somit ins Leere, da er im Gegensatz zum Werbungskostenabzug auch nicht zu Verlustfeststellungen bereichtigt, die mit späteren Einkünften verrechnet werden können.

Hinsichtlich der Rückwirkung hält der BFH hingegen die rückwirkende Anwendung des Abzugsverbots auf das Jahr 2004 für verfassungsgemäß. Insoweit sei die Rückwirkung nach Maßgabe der Rechtsprechung des BVerfG ausnahmsweise zulässig.

Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie oder Ihre Kinder Berufsausbildungskosten steuerlich geltend machen wollen!

Ihr Ansprechpartner